Auf nach Kirgistan!
Kirgistan ist das Land, über das wir am Anfang unserer Reise mit Abstand am wenigsten wussten.
Um ehrlich zu sein wussten wir nur, dass wir von hier aus über einen Gebirgspass nach China gelangen… das war auch schon alles. Dieses Land ist für uns ein völlig unbeschriebenes Blatt.
Je näher wir Kirgistan kommen, umso mehr Reisende treffen wir aber, die schon dort gewesen sind und ausnahmelos alle schwärmen davon wie schön es ist: wilde Berglandschaften, glasklare Seen und Natur pur. Da dauert es natürlich nicht lange bis auch Manuel und ich Feuer und Flamme sind solch ein Paradies zu erkunden.
Von Usbekistan aus führen zwei Wege nach Kirgistan: einer im Süden durch das Fergana Tal und einer im Norden durch Kasachstan. Wir entscheiden uns für die nördliche Route und hoffen, dass wir es in nur einem einzigen Tag von Tashkent nach Bishkek zu schaffen. Warum hoffen? Weil wir knapp 670 km zurücklegen müssen, zwei Landesgrenzen überqueren und dazu auf drei Taxen und drei verschiedene Busse angewiesen sind, die nicht zu bestimmten Zeiten abfahren, sondern erst, wenn sie voll besetzt sind.
Aber das Glück ist uns hold und alles läuft perfekt. Um kurz nach 6.00 Uhr lassen wir Usbekistan bereits hinter uns und damit auch die Wüste und das letzte Stück Persien. In Kasachstan erwartet uns eine goldgelbe Gras-Steppe, die sich in sanften Hügeln über hunderte von Kilometern in alle Richtungen erstreckt. Was für eine Weite! Unverkennbar, dass wir uns dem Erbe Dschingis Khans nähern. Nur ein paar Stunden später sehen wir schon die Grenze zu Kirgistan. Im kompletten Gegensatz zur Steppe erhebt sich wie aus dem Nichts eine gewaltige Bergkette und ragt mehrere tausend Meter in die Höhe bis die Wolken die Gipfel verschlucken: das Tian Shan Gebirge, das 80% von Kirgistan ausmacht. Schwarz und bedrohlich sieht es aus und vor allem ganz schön beeindruckend.
Die Zeit vergeht wie im Flug und als wir gegen 22:00 Uhr endlich in Bishkek in unserem Hostel ankommen, sind wir zwar ganz schön erschöpft, aber glücklich!

Ankunft Bishkek
Neues Land und alte Freunde
Hier in Bishkek treffen wir uns mit Nick, mit dem wir uns in Usbekistan angefreundet haben. Er ist derjenige, der uns am meisten von Kirgistan vorgeschwärmt hat. Dass wir nun zur selben Zeit in Bishkek sind wie er, ist ein purer Glücksfall. Vor allem für uns, denn Nick hat einen Trip in die Berge geplant und wir dürfen uns einfach anschließen.
Nur 35 km südlich von Bishkek liegt der Ala-Archa Nationalpark. Dort soll es am Fuß eines Gletschers eine Bergsteiger-Hütte geben, in der man gegen einen kleinen Obulus übernachten kann. Das ist unser Ziel. An einem Tag hin, eine Nacht in der Hütte und am nächsten Tag wieder zurück.
Gesagt, getan. Wir machen uns schlau. Fragen andere Backpacker und unsere Gastfamilien, wer schon einmal da war, wie man dort hin kommt, wie viel Wasser wir mitnehmen müssen oder ob es Frischwasser-Quellen gibt und wie kalt es wird.
Dann wird die Ausrüstung gecheckt und der Proviant verstaut: Brot, Käse, Salami, 10 hart gekochte Eier und Instant-Nudelsuppe. Ach ja, und um den Aufstieg zu feiern – wenn er denn dann geschafft ist – noch ein Fläschchen Wein… oder zwei.

Die Berge rufen
Auf in die Berge
Am nächsten Morgen geht’s los. Wir treffen uns am großen Basar und nehmen von dort den Bus zum Nationalpark.
Laut Wegweiser sind es bis zum Gletscher und der sogenannten Ratsek-Hütte nur 5,75 km. Das sollte doch machbar sein!
Zuerst geht es ein Stück weit durch den Wald, dann beginnt der Aufstieg. Der Regen vom Vortag hat den Boden aufgeweicht und stellenweise ist es sogar richtig matschig und rutschig. So viel Steigung hatten wir am Anfang gar nicht erwartet, kommen aber dennoch gut voran.
Wir legen eine kurze Frühstückspause ein und dann geht es weiter bergauf. Ein paar hundert Meter noch und dann wird klar, warum wir gleich am Anfang so einen steilen Abschnitt vor uns hatten: Wir sind auf einem Platteau angekommen. Der Blick ist fantastisch. Zu unseren Füßen laufen zwei Täler zusammen, durch die sich jeweils ein glasklarer Fluss aus eisigem Schmelzwasser schlängelt; der Himmel ist strahlend blau und die Sonne lässt die schneebedeckten Gipfel glänzen.
Genau das ändert sich aber schneller als uns lieb ist, denn nach dem Platteau geht es jetzt an den eigentlichen Aufstieg. Vor uns türmen sich Felsen und Geröll auf und der Weg führt so steil den Berg hinauf, dass wir den Kopf in den Nacken legen müssen, um ihn überhaupt ausmachen zu können. Puhhh… na dann mal los.
Es dauert gar nicht lange, da müssen Manuel und ich uns eingestehen, dass Nick wohl etwas fitter ist als wir. Wir geben es nicht gerne zu, aber während wir langsam schnaufend vor uns hin kraxeln, ist er immer noch bester Dinge und geht bereits ein Stück voraus. Nun gut, was ich vergessen hatte zu erwähnen ist, dass Nick nicht wie wir im Bus oder Zug durch die Gegend reist, sondern, dass er mit dem Fahrrad unterwegs ist – von Australien nach England! Da ist ja wohl auch klar, dass er ein bisschen besser in Form ist als wir.
Sobald wir an die Schneegrenze kommen, muntert Nick uns mit ein paar Schneebällen auf. Es wird langsam kälter. Immerhin, das heißt dann ja auch, dass wir uns dem Gletscher nähern.
Kurze Zeit später treffen wir ein Schweizer Pärchen, das uns entgegen kommt und meint, dass es bis zur Hütte nur noch knapp 400 Meter sind. Ich will mich schon freuen, da kommt der Nachsatz: Höhenmeter. Verdammt!
Nun ja, was will man machen? Stück für Stück arbeiten wir uns den Berg hinauf, bleiben aber immer wieder kurz stehen. Zum einen natürlich um zu verschnaufen, zum anderen aber um die Aussicht zu genießen. Denn so lächerlich schwer wir uns auch tun, dieses umwerfende Panorama ist jeden einzelnen Schritt wert.
Geschafft!
Nach unglaublichen fünf Stunden haben wir es endlich geschafft und werden von Sergej, dem Hüttenwart, mit einem kühlen Bier in Empfang genommen. Wohoo!
Gestartet sind wir auf 2.100m und angekommen auf 3.400m. Bei dem Höhenunterschied auf so kurzer Strecke wird rückblickend auch klar, warum uns der Weg teilweise so steil vorkam.
Die Hütte selbst beschränkt sich in seiner Ausstattung auf das absolut Nötigste: zwei Reihen aus Holz gezimmerter Liegeflächen mit dünnen Futons als Matratzen und ein kleiner Ofen.
Wir verstauen unsere Sachen, füllen unsere Wasservorräte an der kleinen Quelle auf und sehen uns etwas um.
Zum Abendessen kochen wir uns noch eine schöne heiße Nudelsuppe und dann machen wir es uns mit den zwei Flaschen Wein in unseren Schlafsäcken bequem.
Dank meiner Mini-Blase muss ich mich noch zwei Mal wieder aus dem gemütlichen Nest ausbuddeln und bei -3°C nach draußen rennen. Dafür werde ich aber mit einem wunderschönen, sternenklaren Nachthimmel belohnt. Selten habe ich die Milchstraße so hell leuchtend und zum Greifen nah gesehen. Es ist fantastisch!
Zurück ins Tal
Am nächsten Morgen ist das Wetter umgeschlagen. Als wir aus der Hütte kommen, laufen wir direkt in eine Nebelwand. Viel sehen können wir nicht, alle Geräusche scheinen dafür aber umso lauter zu sein. Eigentlich nichts schlimmes. Wenn man aber plötzlich hört wie ein Steinschlag den Abhang hinunter kracht und nicht sehen kann was oder wo es passiert ist, kann einem schon ein bisschen mulmig werden.
Wie ursprünglich geplant ein Stück weiter den Gletscher hinauf zu wandern, macht unter diesen Umständen keinen Sinn und so treten wir direkt den Rückweg an.
Die wenigen Taxifahrer geben sich zwar alle Mühe uns ihre völlig überteuerten Preise schmackhaft zu machen, aber wir nutzen lieber, was hier ohnehin weit verbreitet ist: wir fahren per Anhalter.
Kirgistan gehört leider zu den ärmsten Länder der ehemaligen Sowjetunion. Hier besitzt bei weitem nicht jeder ein Auto und so ist es ganz normal, dass man sich gegenseitig aushilft und gegen ein bisschen Spritgeld Anhalter mitnimmt. Wir sind noch keine 500m gelaufen, da hält auch schon das erst Auto und nimmt uns mit – und das obwohl Bishkek das einzige Wort ist mit dem wir uns verständigen können.
Unser erster Eindruck von Kirgistan hat uns wahrlich nicht enttäuscht: die Menschen sind wunderbar herzlich und freundlich und die Landschaft ist atemberaubend schön.
Und uns beschleicht jetzt schon das Gefühl, das es in diesem Land nicht nur bei einer einfachen Durchreise bleibt.
Der Film zum Text
Auf unserer Wanderung zum Ala-Archer-Gletscher hatte Caro ihre GoPro mit. Das heißt, dass es diesmal neben Manuels Fotos auch wieder ein Video von Caro zum Text gibt!
Wir hoffen es gefällt euch!
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Wahnsinn!! So ein Fernweh hatte ich schon lange nicht mehr …