Usbekistan….USBEKISTAN…Usbekistan… So ungefähr hört es sich an, wenn man hier den Fernseher einschaltet. Alle zehn Minuten gibt es eine kurze Werbepause, in der ein Dichter, eine Sängerin oder ein Schulkind freudestrahlend und voller Inbrunst einen kurzen Vortrag über Usbekistan hält.
Zugegeben, „Usbekistan“ ist das einzige Wort, das wir verstehen. Worum es bei der ganzen Sache geht, ist aber trotzdem schnell klar.
Die Menschen hier scheinen mächtig stolz auf ihr Land zu sein… oder sollen ständig daran erinnert werden es zu sein. 😉
Da sind wir also. In Usbekistan.
Leider haben wir zuvor auf unserer Reise durch den Iran ein wenig getrödelt und so bleiben uns von unserem Visa nur noch gute zwei Wochen Zeit, um dieses Land zu erkunden.
Deshalb beschließen wir uns in erster Linie die „großen Drei“ anzusehen: die Städte Buchara, Samarqand und Chiwa.
Alle drei sind schon mehrere Jahrtausende alt und gehörten einst zu den prachtvollsten Städten entlang der Seidenstraße. Heute sind sie immer noch sagenumwoben & berühmt berüchtigt und doch für die meisten von uns fern und unbekannt.
Buchara – Kulturschock
Zuallererst führt uns unsere Reise nach Buchara.
Nach drei Wochen im Iran kam es uns zunächst etwas befremdlich vor, auf so viele andere Touristen zu treffen und kaum noch Kopftücher zu sehen, dafür aber wieder Bier und Wein angeboten zu bekommen. Besonders wundert uns aber die Sache mit den Kopftüchern. Denn schließlich leben in Usbekistan zu 88% Muslime. Unser erster Gedanke ist natürlich, dass die Leute hier einfach ihre Freiheit genießen. Als wir bei nächster Gelegenheit jemanden dazu befragen, erfahren wir aber, wie die Dinge eigentlich liegen. Der Präsident Usbekistans will es in seinem Land unter keinen Umständen zu einer Radikalisierung durch die Religion kommen lassen und zu diesem Zweck schreckt er auch nicht vor eher Polizeistaat-ähnlichen Maßnahmen zurück. Das Tragen religiöser Kleidung ist in der Öffentlichkeit verboten und wer sich nicht daran hält wird schikaniert, von Schulen und Universitäten ausgeschlossen oder von der Polizei an die Anti-Terror-Einheit übergeben.
Der Unterschied zum Iran könnte kaum größer sein.
Plötzlich Millionär
Am Morgen nach unserer Ankunft machen wir uns gleich auf den Weg die Stadt zu erkunden.
Schließlich steht Buchara seit 1993 auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste, weil sie „das vollständigste und unberührteste Beispiel einer mittelalterlichen zentralasiatischen Stadt darstelle“. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Und tatsächlich, Buchara ist wunderbar und versprüht einen ganz eigenen Charme. Von Asphalt und Verkehr keine Spur. Wir schlendern in aller Seelenruhe über Lehmziegel-Pflaster durch die vielen kleinen Gassen, bestaunen die alten Gebäude, Moscheen, Minarette und Madrasas (islamische Schulen). Zwischendurch flüchten wir immer wieder vor der sengenden Sonne in kleine Kuppel-überspannte Basare oder in den Schatten der Maulbeerbäume am Rand des zentralen Wasserbeckens. Immerhin sind es heute 43° C.
Überall bieten Händler und Künstler ihre Waren an und verwandeln die Stadt in ein Meer aus Farben, Klängen und Gerüchen, das mit allen Sinnen erforscht werden will.
Während wir genau das tun, wird uns immer wieder ein leises „Dollar – Som“ oder „Change money“ zugeflüstert.
Der Wechselkurs auf dem Schwarzmarkt ist doppelt so hoch wie der offizielle bei den Banken. Warum? Keine Ahnung! Darüber haben wir ausführlich spekuliert und sind doch zu keinem Ergebnis gekommen. Für einen US-Dollar bekommen wir unter der Hand gut 4.600 usbekische Som (UZS). Und da die gängigste Banknote der 1.000 Som-Schein ist, läuft jeder mit reiseigen Geldbündeln und teilweise ganzen Tragetaschen voller Geld durch die Gegend. Für uns ist es auf jeden Fall das erste Mal, dass ein Wechselkurs uns zu Millionären macht. 😉
1, 2 oder 3… unsere Favoriten
In Buchara kann man wunderbar einfach nur sein und genießen. Es gibt zahlreiche wunderschönen Sehenswürdigkeiten. Wir möchten euch von unseren drei Favoriten berichten.
Die Nr.1-Sehenswürdigkeit – und zu Recht Bucharas beliebtestes Postkartenmotiv – ist ohne Frage das Kalon-Minaret.
Das Herzstück, der 47m hohe Turm aus dem Jahr 1127, war seinerzeit das höchste Gebäude in ganz Zentralasien. Er wurde mit den ersten blau glasierten Ziegeln verziert und ist durch Reisig im Fundament sogar erdbebensicher.
Neben dem Minaret wurde die Kalon-Moschee errichtet und ihr gegenüber die Miri-Arab-Madrasa. Diese drei bilden ein wahrhaft beeindruckendes Ensemble – erst Recht, wenn man wie wir kurz vorher noch durch die kleinen Gassen der Altstadt geschlendert ist.
Egal an welcher Stelle und aus welchem Winkel wir versucht haben das Minaret zu fotografieren, es wollte einfach nie so Recht ins Bild passen. Und obwohl man nach heutigen Maßstäben glatt von „nur“ 47m sprechen könnte, wirkt dieses Minaret so mächtig und faszinierend, dass es nur mein schmerzender Nacken schafft mich aus dem Staunen zu reißen.
Diese spektakuläre Festung sucht ihresgleichen vergeblich: 16-20m hohe Mauern umgeben eine Fläche von fast vier Hektar, die in der Form der sieben Punkten des Sternbildes „großer Wagen“ angeordnet wurde. Sie ist eine eigene kleine Stadt in der Stadt und war seit jeher der Regierungssitz der amtierenden Herrscher.
Allerdings wurde die Zitadelle während des russischen Bürgerkrieges 1920 zu großen Teilen zerstört und dementsprechend müssen wir leider sagen, dass wir die intakten Außenmauern beeindruckender finden als das Innere. Nichtsdestotrotz bietet sich aber bis heute von ihren Zinnen ein einmaliger Blick auf die Altstadt Bucharas.
Gut versteckt inmitten einer der Wohnviertel liegt dieses kleine Gebäude mit seinen vier blauen Türmchen, das früher einmal das Tor zu einer Madrasa war, die es heute nicht mehr gibt.
Wir machen uns am späten Abend, kurz vor Sonnenuntergang, auf die Suche und sind überrascht wo und wie wir es finden. Es ist viel kleiner als wir dachten, umgeben von ein paar gepflegten Rosenbeeten und einem kleinen Platz auf dem die Kinder der Umgebung bolzen und spielen.
Obwohl es schon Recht spät ist, lässt ein freundlicher Händler uns noch hinein und weist uns den Weg aufs Dach. Eigentlich wollten wir nur ein paar Fotos machen, aber dann entdecken uns die Kinder und fangen an zu kichern, zu winken und lauthals „Hello“ zu rufen. Einer der Jungs wirft vor lauter Übermut sogar seinen Ball zu uns hinauf. Das Spiel greifen wir natürlich sofort auf und in der nächsten Viertelstunde fliegt der Ball unzählige Male aufs Dach und wieder herunter. Dabei streiten Manuel und ich uns mindestens genauso sehr wie die Kinder, wer den Ball fangen und wer werfen darf.
Als aber irgendwann die resolute Frau des Händlers aus dem Haus kommt und uns zu verstehen gibt, dass ihr Mann doch jetzt endlich zum Essen reinkommen soll, fällt uns auf wie schnell die Zeit vergangen ist. Flink huschen wir die Treppe wieder runter, bedanken und entschuldigen uns noch einmal und machen uns auf den Heimweg.
Die Goldene Straße nach Samarqand
Wir reisen nicht um des Handels Willen allein,
denn heißere Winde entfachten unsere flammenden Herzen.
Aus dem Begehren zu wissen, was nicht gewusst werden soll,
nehmen wir die Goldene Straße nach Samarqand.– James Elroy Flecker, The Golden Journey to Samarkand (1913) –
Die Oasenstadt Samarqand gibt es schon seit dem 5.Jh BC und Dank ihrer perfekten Lage als Knotenpunkt zwischen Persien, Indien und China war sie auch schon immer eine florierende, wohlhabende Stadt. Selbst Alexander der Große soll bei seiner Eroberung 329 BC gesagt haben: „Alles, was ich über Marakanda (der griechische Name Samarqands) gehört habe, ist wahr – nur das es noch viel schöner ist, als ich es mir vorgestellt habe.“
Unsere Erwartungen sind dementsprechend hoch und wir sind gespannt, ob diese „Perle der Seidenstraße“ halten kann, was sie verspricht.
Um das beurteilen zu können brauchen wir aber vor allem eins: Zeit!
Denn es dauert mindestens drei Tage, bis wir alles gesehen haben.
Auf blutgetränkten Spuren
Einer der Gründe für Samarqands Bekanntheit ist, dass sie von dem Emir Timur – auch Tamerlan oder Timur der Lahme genannt – zur Hauptstadt seines Reiches auserkoren wurde.
Timur, der sich selbst „Allahs Schatten auf Erden“ nannte, war einer der skrupellosesten Eroberer der Weltgeschichte.
Auf seinen Feldzügen tränkte er die Erde in Strömen von Blut, ließ hunderttausende Gefangene hinrichten und ihre Schädel zu Pyramiden auftürmen.
Doch er hatte eine Schwäche: die Kunst. Begabten Künstlern und Handwerkern gegenüber ließ er Milde walten. Vom Mittelmeer bis zur Mongolei ließ er aus jeder Stadt, die er eroberte, die besten von ihnen nach Samarqand verschleppen, um seine Hauptstadt zum „Mittelpunkt des Weltalls“ zu machen.
All das erfahren wir, als wir uns das eindrucksvolle Mausoleum dieses reizenden Gentleman ansehen. Diese prunkvolle Grabstätte ist mit einer schier unfassbaren Anzahl von Ornamenten und schillerndem Blattgold verziert, die sonst nur Moscheen vorbehalten ist.
Trotz all seiner Gräueltaten und obwohl sein Reich nach seinem Tod gleich wieder zerfiel, wird Timur auch heute noch im ganzen Land verehrt. Nicht zuletzt, weil der Präsidenten ihn zu einer Art Nationalheld erklärt hat – dem Ahnherrn Usbekistans.
Ruinen unendlicher Liebe
In Samarqand ist Timur geradezu allgegenwärtig. Ein weiteres der imposantesten Gebäude Stadt ist ebenfalls auf ihn zurückzuführen.
Als er seinen Feldzug gegen Indien anführte, gab seine Frau Bibi-Khanym als Zeichen ihrer grenzenlosen Liebe zu ihm den Bau der größten und prächtigste Moschee der islamischen Welt in Auftrag.
Dieses Vorhaben brachten die Baumeister seiner Zeit an die Grenzen des damals Möglichen. Immer wieder sollten Änderungen umgesetzt werden und der Bau war noch nicht ganz abgeschlossen, da zeigten sich schon die ersten Mängel in der Statik. Es kam also wie es kommen musste: der kolossale Prunkbau hielt dem Gewicht seiner eigenen Maßlosigkeit nicht stand und die Kuppel fiel bei einem Erdbeben in sich zusammen. Über die Jahre wurden Teile der Trümmer anderweitig als Baumaterial genutzt und in den verbliebenen Ruinen Vieh untergestellt. Es dauerte noch eine ganze Weile bis endlich die Restauration begann.
Gute 600 Jahre nach Timur stehen wir nun in der Mitte dieser Moschee und erschaudern bei ihrem Anblick. Die Musik einer Flötenspielerin lockte uns durch das 50m hohe Eingangsportal. Die Zeit hat ohne Zweifel ihre Spuren hinterlassen. Die Millionen winziger blauer Ziegel, die das Portal mit kunstvollsten Mosaiken zieren, verleihen ihm aber dennoch einen Stolz und eine Würde, die uns annehmen lassen die Sonne gehe nur unter, um sich vor Bibi-Khanym zu verneigen.
Ohne die Kuppel gleicht das Innere der Moschee heutzutage einem kleinen Garten. Zu allen drei Seiten stehen noch die Halbkuppelportale. Meterlange, tiefe Risse klaffen in ihren Seiten und zeugen von der Last, die sie einst getragen haben. Bei dem Gedanken all dies sei einst von einer riesigen, majestätischen Kuppel überspannt worden, stockt uns der Atem.
Die Abendsonne spiegelt sich in den blau glasierten Mosaiksteinen und ein Schwarm Spatzen gleitet durch die Luft wie der Seidenschal einer persischen Tänzerin. Flink und wenig fangen Sie die Insekten, die vom Funkeln der letzten Sonnenstrahlen angezogen werden, während wir uns weiter von den Melodien der Flötenspielerin verzaubern lassen.
In den Fängen der Wissbegierigen
Samarqands Herzstück sehen wir uns erst am zweiten Tag an: den Registan.
Auf diesem riesigen Marktplatz kamen Jahrhunderte lang Menschen aus aller Welt zusammen. Händler boten ihre Ware feil und Handwerker ihre Dienste, Gelehrte tauschten sich aus und Boten verkündeten ihre Nachrichten, Recht wurde gesprochen und Hinrichtungen wurden ausgeführt.
Timur hatte Samarqand bereits zu einem ökonomischen und kulturellen Epizentrum gemacht, sein Enkel, Emir Ulugbek, machte es zusätzlich zu einem intellektuellen.
Er erbaute an der Westseite des Platzes die mächtige Ulugbek Madrasa, in der fortan Mathematik, Astrologie, Theologie und Philosophie unterrichtet wurden.
200 Jahre später wurden an der Ostseite des Platzes die Sher Dor Madrasa und an der Nordseite die Tilla-Kari Madrasa errichtet.
Die beiden jüngeren Schulen sind auf die erste abgestimmt und folgen demselben architektonisch Muster: ein vierzig Meter hohes Eingangsportal und dahinter ein rechteckiger Innenhof mit einer zweistöckigen Rundbogengalerie.
Wie sehr sich die Schulen in ihrer Form ähneln, so sehr unterscheiden sie sich aber im Detail. Jede von ihnen ziert ein anderes aufwändiges Mosaik, in dem es tausende von Einzelheiten, Finessen und Geschichten zu entdecken gibt. In dem Mosaik am Portal der Sher Dor Madrasa zum Beispiel jagt eine Löwin (die aussieht wie ein Tiger) eine Gazelle, so wie die Schüler unentwegt mutig nach neuem Wissen streben sollen. Die Sonne, die über allem scheint, symbolisiert den Ruhm und das Ansehen, das sie sich dadurch verdienen.
Eine weitere Überraschung erleben wir in der Tilla-Kari Madrasa. In ihrem Innenhof finden wir eine kleine Moschee, die entsprechend dem damaligem Wohlstand Samarqands komplett mit Blattgold verziert wurde. Am beeindruckendsten finden wir aber, dass an der flachen Decke durch eine weitere, meisterhafte Komposition geometrischer Formen das Trugbild einer Kuppel erzeugt wird – egal aus welchem Winkel man sie ansieht. Ohne Hinweisschild hätten wir wahrscheinlich gar nichts bemerkt.
Der Registan ist schlichtweg überwältigend. Wir verstehen wahrscheinlich längst nicht alles, aber das macht nichts. Wir staunen einfach und genießen.
Die kleinen Dinge
Auch Samarqand hat natürlich eine Altstadt, die zum Erkunden einlädt und was das angeht, lassen wir uns nicht lange bitten. Außerdem ist das Wetter in den letzten Tage etwas abgekühlt und bei „nur noch“ 37°C ist alles gleich viel angenehmer.
Wir schlendern die Touristenpromenade entlang, über den Basar und kreuz und quer durch die Wohnviertel. Dabei haben wir einen Heidenspaß mit den Kindern, die wir treffen, und umgekehrt die auch mit uns, bzw. mit Manuel und seiner Kamera.
Am anderen Ende der Altstadt liegt der alte Friedhof und eine weitere beliebte Sehenswürdigkeit Samarqands: die Straße der Mausoleen.
Einen kleinen Berg hinauf reihen sich hier die Mausoleen der wichitgsten Persönlichkeiten der Stadt und vieler Familienmitglieder Timurs aneinander. Dabei gleicht keines dem anderen; sie sind mit den unterschiedlichsten Mosaiken und Malereien verziert und im goldenen Licht der untergehenden Sonne rühren die vielen kleinen, blauen Kuppeln zu einer wundbar, friedvollen Atmosphäre an.
Hier sitzen wir also und genießen ein letztes Mal den Tee unserer Gastgeber, bevor wir uns wieder auf den Weg machen.
Samarqand hat uns nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil: diese Stadt ist wahrhaft eine Perle Zentralasiens und definitiv ein Muss für jeden der nach Usbekistan kommt.
Das war Teil 1 unserer Usbekistan-Reise! Wenn es dir gefallen hat und du wissen willst wie es weitergeht, dann findest du hier Teil 2 unserer Reise im Land der blauen Kuppeln.
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[…] Es geht weiter mit Teil 2. unserer Reise durch Usbekistan. Teil 1 findest du hier. […]