Es geht weiter mit Teil 2. unserer Reise durch Usbekistan. Teil 1 findest du hier.
Weit, weit weg in Chiwa
Unsere Route führt ein wenig im Zickzack durch das Land. Wir waren schon fast so weit uns nach Samarkand auf direktem Weg in die Hauptstadt Tashkent und dann nach Kirgistan zu begeben. Aber nach einigem Hin und Her haben wir beschlossen, dass wir uns die 700km weit entfernte Wüstenstadt Chiwa einfach nicht entgehen lassen können und so springen in den nächsten 14 Stunden-Nachtzug gen Westen.
Überraschende Bekanntschaften
Die Fahrt in dem Schlafwagen ist wieder einmal ein Erlebnis für sich, denn so machen wir unverhoffter Weise die herzliche Bekanntschaft einer usbekischen Familie. Das ist genau das, was uns bislang gefehlt hat. Im Iran war es so leicht Menschen kennenzulernen, man kam schon einfach auf der Straße in ein nettes Gespräch. In Usbekistan gestaltet sich das leider etwas schwieriger. Bislang waren wir nur in Städten, in denen man an Touristen gewöhnt ist und dementsprechend wurden auch wir stets wie solche behandelt.
Im Zug bekommen wir zum ersten Mal einen Einblick in das alltägliche Leben der Usbeken.
Nasiba schläft im Bett neben mir. Sie ist Russisch-Lehrerin in Taschkent und fährt für ein langes Wochenende zurück in ihr Heimatdorf. Wir sprechen über unsere Familien und Berufe, das Land, das Essen und die Feiertage… genug Zeit haben wir ja. Im Vorbeifahren deutet sie auf einige Felder und erzählt mir, dass sie im Sommer immer auf den Feldern bei der Baumwoll-Ernte hilft. Alle tun das – auch ihre Schüler. Sie erzählt davon ohne Groll, eher mit einem gewissen Stolz und so halte ich das Ganze für eine nette Sache. Jeder packt mit an.
Im Nachhinein müssen wir aber leider erfahren, dass das so nicht ganz stimmt. Die Hilfe ist mitnichten freiwillig. Auf 80% der usbekischen Agrarfläche wird Baumwolle angepflanzt. Nicht etwa, weil eine Pflanze mit so einem hohen Wasserbedarf in einem Wüstenstaat Sinn macht, sondern einzig und allein, weil die Regierung das so will. Und wenn die Bauern die Ernte alleine nicht schaffen, weil sie sich wegen dem Preisverfall keine Arbeiter leisten können, verdonnert der Staat seine Bevölkerung einfach zur Zwangsarbeit.
Da ist es nur ein kleiner Trost, dass Human Rights bewirken konnte, dass zumindest keine Kinder mehr auf die Felder geschickt werden.
Diese wunderbar herzliche Familie kennenzulernen war definitiv einer unserer schönsten Momente in Usbekistan.
Welches Jahrhundert haben wir noch gleich?
In Chiwa angekommen sind wir mal wieder sprachlos. Man könnte meinen, dass es nach unseren Erlebnissen in Samarqand schwierig wird uns noch zu beeindrucken. Aber der Vergleich hinkt. Denn Chiwa ist ganz anders. Die Altstadt ist wie ein einziges Freilichtmuseum mitsamt Palast, Moschee und intakten Stadtmauern.
Beinahe andächtig laufen wir durch die Stadt und träumen davon, wie wir in den langen Gewändern der Beduinen auf einem Pferd oder einem Kamel mit einer Karawane in die Stadt geritten kommen, den Wüstensand aus unseren Kleidern klopfen und dann auf dem Basar bei Tee und Datteln um unsere Waren feilschen.
Ganz so ist es heute nicht mehr. Aber die Ticketverkäufer des Touristmus-Center hüten das Tor mindestens genauso gut wie damals die Wachmänner und überall kann man sich gegen ein paar Som für ein Foto „historisch“ verkleiden. Den Leuten in Chiwa ist der touristische Wert ihrer Altstadt bewusst und sie verstehen ihn geschickt zu nutzen. Nichtsdestotrotz bietet sich aber immer noch jede Menge Platz zum träumen.
Es gibt zahlreiche kleine Museen, in denen von der Geschichte der Stadt, den Handwerkern und den Künstlern erzählt wird. Der von außen so unscheinbare Palast des Emirs überrascht von Innen mit wunderschönen Mosaiken, kunstvollen Holzdecken und einem silbernen Thron. Vom ehemaligen Wachturm aus können wir die ganze wunderschöne Stadt überblicken und zusehen wie die Kamele ihr Nachtlager einnehmen.
In einem anderen Viertel versteckt sich in einer Ecke der Eingang zur Freitagsmoschee. Ihre hölzerne Decke ruht auf 212 Säulen, von denen jede einzelne in einem Stück aus einem Maulbeerbaum geschnitzt und individuell mit den unterschiedlichsten Ornamenten verziert wurde.
Ständig vergessen wir die Zeit und erst kurz von Sonnenuntergang hetzen wir in Windeseile das Minarett hinauf. Stellenweise sogar auf allen Vieren. Denn die Decke ist niedrig, die alten Stufen sind ausgetreten und teilweise ist es stock duster. Aber das kleine Abenteuer lohnt sich.
Um so einen herrlichen Tag dann noch gebührend abzuschließen, lassen wir uns wenig später im nächsten Restaurant im Schneidersitz auf einem Tapchan nieder und bestellen Plov und Kebab.
Faszination Seide
Eins meiner persönlichen Highlights in Chiwa, ist ein kleiner Seiden-Workshop. Manuel geht es leider nicht gut und so mache ich mich einen Nachmittag lang allein auf den Weg und schlender durch die staubigen Gassen. Durch eine offene Tür sehe ich in einem kleinen, angenehm schattigen Innenhof zwei junge Frauen auf einem Tapchan sitzen und Kissenbezüge besticken. Das machte mich neugierig. Die Leute hier sind es leider gewohnt Gegenstand eines lebenden Museums zu sein und so wundert e sie gar nicht als ich einfach mit einem freundlichen „Salom alaykhum“ auf sie zugehe. Wie sich herausstellt bin ich im „Khiva Silk Carpet Workshop“ gelandet. Der freundlicher Chef zeigt und erklärt mir alles, was ich sehen möchte. Wir haben auf unserer Reise schon so viel über Seide gehört und auch schon so viel gesehen, aber hier lerne ich jeden einzelnen Schritt der Verarbeitung kennen: wie die Seidenraupen mit Maulbeerblättern gefüttert werden, bis sie größer sind als mein Hand und sich einen Cocoon spinnen, wie der Cocoon wieder aufgelöst und das klebrige Sekret der Raupe von dem Seidenfaden gewaschen wird, mit welchen Naturstoffen man die Seide einfärbt und wie er welche Muster für die Teppiche aussucht. Ich darf sogar den Frauen am Webstuhl zusehen, wie sie mit ihren flinken Finger schneller knüpfen als ich gucken kann, während sie zur Musik auf ihrem MP3-Player mitsingen und über meinen staunenden Gesichtsausdruck lachen.
Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Die Teppiche aus reiner Seide sind nicht viel schwerer als ein Handtuch und glänzen bei jeder Bewegung in den schillerndsten Farben.
Und obwohl die Preise einen nach Luft schnappen lassen, muss ich sagen, dass diese Meisterwerke ihr Geld wirklich Wert sind.
Taschkent – das Ende einer Reise
Die drei Tage in Chiwa sind schnell um und für uns geht es weiter.
Trotz aller Beharrlichkeit und Überredungskünste meinerseits, will Manuel mir partout nicht erlauben mich etwas mehr in die usbekische Kultur zu integrieren und uns eins der hier gängigsten Fortbewegungsmittel zu kaufen: ein süßes kleines Eselchen.
So bleibt uns also keine Wahl und wir nehmen wieder den Zug, um nach Taschkent in Usbekistans Hauptstadt zu gelangen.
Die Fahrt dauert eigentlich nur 16 Stunden, uns kommt sie aber vor wie eine Reise durch die Jahrhunderte. Denn in Taschkent endet unser Ausflug ins alte Usbekistan aus den Tagen der Seidenstraße und wir kehren aus 1001er Nacht zurück in der Moderne.

Taschkent: zurück in der Gegenwart
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Hallo Ihr 2,
genau gestern vor einem Jahr sind wir aus Usbekistan zurückgekommen. Ein interessantes Land – und Ihr habt recht, die Zeit scheint dort irgendwie stehen geblieben zu sein!
Wir waren übrigens noch in Nukus, was früher am Aralsee lag und heute in der Wüste liegt.
Aber nur das Museum für moderne Kunst ist sehenswert.
Beste Grüße
Alex und Birgitta
Hallo Birgitta und Alex,
Ja, Nukus hatten wir auch noch auf dem Plan gehabt, allerdings mussten wir diesen Plan etwas kürzen, da wir etwas zu lange im Iran gewesen sind und daher nicht mehr ganz so viel Zeit hatten. Aber vielleicht das nächste Mal ;).
Auf jeden Fall freut es uns zu hören, dass es euch genau so gut gefallen hat wie uns.
Liebe Grüße!