Zugfahrten im Schlafwagen sind Therapie. Was die Räder und Achsen da machen ist Musik und Massage zugleich. Egal wie gut sie gefedert sind, ein letztes Vibrieren bleibt und das reicht um den Staub von der Seele zu schütteln.
Helge Timmerberg – In 80 Tagen um die Welt
Bahnreisen verkörpern seit jeher eine der romantischsten Formen des Reisens. Es gibt zahlreiche, weit bekannte Bahnstrecken, deren Namen einen unmittelbar von fernen Ländern und Abenteuern träumen lassen. Der Trans-Asia-Express ist einer davon.
Zwar durchquert er nicht ganz Asien, sondern verbindet lediglich die Hauptstädte der Türkei und des Irans. Aber immerhin sind das fast zweieinhalbtausend Kilometer, bedarf zweier Züge & einer Fähre und dauert ganze drei Tage.
Mittwoch, 22.07.2015
Heute ist es soweit!Um 17:40 Uhr werden wir unsere Reise mit dem Trans-Asia-Express antreten. Nicht in Ankara, sondern in Kayseri in Kappadokien. Ganz deutsch sind wir sehr zeitig am Bahnhof und warten. Jetzt sind wir langsam doch ein wenig aufgeregt. Der Bahnsteig ist ziemlich voll und als der Zug endlich einfährt, dauert es eine Weile bis jeder mit Sack und Pack ins richtige Abteil bugsiert wurde. Wir teilen uns ein Abteil mit zwei jungen Iranern.
Zum Abschied werden alle von ihren Freunden und Familien geherzt, gedrückt und geküsst. Man versucht tapfer zu sein, doch als der Schaffner pfeift und der Zug sich langsam in Bewegung setzt, kullern doch ein paar Tränen.
Nach einer Weile entschuldigen wir uns aber, denn wir wollen uns noch den Speisewagen ansehen.
Es scheint fast, als hätten alle anderen Europäer in diesem Zug den gleichen Gedanken gehabt. Denn das Boardrestaurant ist gut gefüllt. Jeder wirft hin und wieder einen Blick nach rechts oder links, um zu erraten wer wohl woher kommt. Aber es ist schon spät und morgen ist ja auch noch ein Tag.
Als wir schließlich in unser Abteil zurückkehren, schlafen die anderen beiden bereits. Ich klettere ins obere Bett und mache es mir dort bequem. Eigentlich bin ich immer noch viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Doch ich liege mit dem Kopf zum Fenster und so kann ich ungehindert den Himmel dieser sternklaren Nacht beobachten, dessen Schönheit nur von den Schatten der Bäume unterbrochen wird, an denen wir vorbeiziehen. Eine ganze Weile liege ich noch so da und kann mein Glück kaum fassen. Bis das sanfte, ewig gleiche Rattern und Ruckeln der Räder mich langsam in einen wundervolle, traumlosen Schlaf wiegt.
Donnerstag, 23.07.2015
Die Sonnenstrahlen kitzeln uns wach, aber es ist noch früh und wir haben Zeit. Ganz gemütlich schlafen wir noch ein, zwei Mal wieder ein, bevor wir uns aufraffen und es uns mit Buch und Musik bequem machen.
Die Sonne gewinnt schnell an Kraft und bald hat sich unser Abteil richtig aufgeheizt. Die Klimaanlage funktioniert leider nicht und so beschließen wir wieder einmal einen Ausflug in den Speisewagen zu unternehmen. Der hat nämlich gleich zwei Vorteile: eine funktionierende Klimaanlage und Tische, an denen man etwas bequemer am Laptop Fotos aussortieren kann.
Auch die anderen Europäer sind wieder hier. Es dauert nicht lange dann fängt man an sich untereinander bekannt zu machen und über die Reisepläne auszutauschen. Außer uns sind noch sieben Holländer, drei Belgier, ein Franzose, ein Österreicher und ein Schweizer auf dem Weg in den Iran. Alle Mitte zwanzig und bereits mit einiger Reiseerfahrung. Das gemeinsame Ziel verbindet. Wir quatschen, spielen Karten und trinken zusammen das ein oder andere Bier – NOCH sind wir ja schließlich in der Türkei, wo Alkohol erlaubt ist. Genau das nutzen auch die Iraner aus – zum Teil sogar so ausgiebig, dass sie lauthals singend durch den Restaurantwagen tanzen.
Der Wechsel verläuft ganz entspannt. Eigentlich interessiert keinen so Recht wer wie wohin läuft und welchen Platz einnimmt, solange er nicht im Weg steht.
Ich suche mir gleich einen Sitz und vergrabe mich in ein Buch, um den Rest der Welt so gut es geht auszublenden. Ich habe tierische Angst vor dieser Art schwimmender Kolosse und bewege mit keinen cm mehr, bis wir 5-6 Stunden später am anderen Ufer angekommen sind.
Manuel hingegen kann die Fahrt zum Glück richtig genießen. Er besucht den Kapitän, erkundet das Schiff, lässt sich an Deck den Wind um die Nase wehen und beobachtet von dort den Sonnenuntergang. Und das muss sich wirklich gelohnt haben, denn als ich mir hinterher die Fotos ansehe, bin ich richtig neidisch.
So spannend und amüsant es aber auch ist, wer noch etwas schlafen will legt sich bald zur Ruh, denn es dauert nicht mehr lange bis wir an die Grenze kommen.
Freitag, 24.07.2015
Im Morgengrauen ist es dann soweit: unser Zugbegleiter weckt uns mehr oder minder freundlich und wir tapsen noch etwas verschlafen aus dem Zug und zum Grenzposten, um uns den Ausreisestempel für die Türkei abzuholen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Ich überrage die meisten der iranischen Frauen um fast zwei Kopf und trotzdem habe ich arge Schwierigkeiten mich zu behaupten. Denn hier gibt es keine Warteschlage – Ellenbogen sind gefragt! Nach einer knappen Stunde ist aber auch das geschafft, alle sitzen wieder im Zug und es geht weiter.
Nur zwei bis drei Stunden – wir sind gerade wieder eingenickt – da sind wir an der nächsten Grenze: Einreise in den Iran. Ab sofort muss ich mich an die Kleidungsvorschriften halten und sowohl lange Klamotten als auch ein Kopftuch tragen.
Dieses Mal fällt die Grenzkontrolle etwas umfangreicher aus: wir müssen den Zug samt Gepäck verlassen, alle Pässe werden von den Soldaten eingesammelt und dann heißt es warten. Nach gut einer Stunde kommt einer der Soldaten mit einem Stapel Pässe zurück auf den Bahnsteig, liest die Namen laut vor und wer „balé“ (=Ja) schreit bekommt seinen zurück. Der Zug wird mit Spürhunden auf Schmuggelware und vor allem Alkohol kontrolliert. Zeitgleich erfolgt im Grenzposten die Gepäckkontrolle – allerdings nur für die Iraner. Von den Touristen wird nur Manuel exemplarisch kontrolliert. Nach gut drei Stunden geben die Beamten den Zug schließlich frei und wir dürfen unsere Reise fortsetzten.
Damit hatten wir zwar nicht gerechnet, dafür können wir aber ganz entspannt noch eine Nacht im Zug schlafen und sparen uns das Hostel.
Samstag, 25.07.2015
Um 04:00 Uhr morgens werden wir abermals von unserem Zugbegleiter geweckt – wir sind fast da!
Es dauert ein bisschen bis wir richtig wach sind, doch als die Nachricht endlich angekommen ist, wirkt sie besser als jeder Muntermacher: WIR SIND FAST DA!
In der Islamischen Republik Iran. In Persien. Dem Land aus 1.001 Nacht. Dem Land der Moscheen, Teppiche und Basare, mit über 6.000 Jahren Geschichte und den heißesten Wüsten der Welt.
Als der Zug in Teheran in den Bahnhof einfährt, haben wir unsere Rucksäcke längst aufgeschnallt. Wir können es kaum erwarten. Unser erster Tag im Iran und unser erster Tag in Teheran. Wir verstehen weder die Sprache, noch können wir irgendwelche Schilder lesen.
Ist dies der Beginn eines wunderbaren Abenteuers oder einer Odyssee? Wir werden sehen…
Wir lieben es mit dem Zug zu reisen! Aber wie sieht es mit dir aus? Hast du ein bevorzugtes Fortbewegungsmittel? Egal ob du mit dem Auto, dem Flugzeug oder Fahrrad unterwegs bist, verrate es uns in den Kommentaren!
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Wunderbar! Slow Travel – Zeit zum Beobachten und all die Eindrücke wirklich schon ein wenig zu verarbeiten. Ich wünsche euch weiterhin Gute Reise!
Liebe Grüße, Sabine
Genau das ist es was uns am „langsamen Reisen“ auch so gut gefällt. Außerdem bekommt man mal wieder ein richtiges Gespür für die Entfernungen die man zurücklegt:)
Es freut uns, dass dir unser Artikel gefällt, vielen lieben Danke:)
Gruß Caro